Theatersammlungen im deutschsprachigen Raum
Der gestrige Theaterabend ist heute schon Theatergeschichte. Was bleibt, ist Erinnerung. Das theatrale Gedächtnis sammelnd zu bewahren - dieser Aufgabe stellt sich das Deutsche Theatermuseum in München, dessen reiche Sammlung keinen internationalen Vergleich zu scheuen braucht. So hat beispielsweise das Jahr 2003 mit seinem Jubiläum ‚350 Jahre Oper in München’ dieser Institution die Gelegenheit geboten, einen Teil ihrer schönsten Schätze zu zeigen. In der eigenen Sonderausstellung ‚Kostbarkeiten der Erinnerung’ präsentierte sie einen audiovisuellen historischen Streifzug, bei dem vieles im Original zu bewundern war, was sonst nur als Abbildungen in der Musik- und Theaterliteratur zu sehen ist, und bestückte darüber hinaus als bedeutender Leihgeber vier weitere Ausstellungen zu speziellen Aspekten des Opernjubiläums.
Doch wie der Name sagt, wird hier nicht nur Münchener Theatergeschichte bewahrt, die Sammlung ist bundesweit angelegt, und je weiter sie in die Vergangenheit zurückreicht, umso mehr weitet sich der lokale Rahmen. Dokumentiert sind dann auch die europaweiten Verflechtungen des theatralen Kunstgeschehens, wie etwa im Barock, wozu das Deutsche Theatermuseum ein großes Konvolut an Originalgrafiken besitzt. Die wertvollsten Bestände der Bibliothek reichen zurück bis in die Renaissance, und in der weltweit umfangreichsten Sammlung an Theaterfotografien sind auch deren erste Anfänge dokumentiert.
Begründet wurde die Sammlung von der seinerzeit bekannten Schauspielerin Clara Ziegler, die 1909 ihre Villa am Englischen Garten, ihr beträchtliches, selbst erspieltes Vermögen und ihre eigene Sammlung zur Einrichtung eines Theatermuseums stiftete, das am 24.6.1910 eröffnet wurde. 1944 wurde die Villa ausgebombt, doch ca. 90% der Sammlungsbestände waren zum Glück ausgelagert, Verluste waren vor allem im Bestand der Plakate und Kritiken zu verzeichnen. 1953 konnte die Clara-Ziegler-Stiftung in den Galerietrakt am Hofgarten einziehen, und erhielt dort 1979 den Status eines selbständigen staatlichen Museums und ihren namentlich institutionalisierten Sammlungsauftrag, womit nun auch ihre Berechtigung in unserer heutigen Gesellschaft als unverzichtbarer und wertvoller Teil des kulturellen Gedächtnisses, eben als das ‚Gedächtnis des Theaters’, öffentlich manifest wurde.
Nicht selten werden wir gefragt, was hier gesammelt wird, und die einfachste Antwort lautet: Alles, was vom Theater übrig bleibt oder dessen Vorbereitung dient. Ein paar Zahlen? Ca. 250.000 grafische Blätter, ca. 500.000 Autographen, ca. 4,3 Millionen Theaterfotografien.
Doch Sammeln, Bewahren ist nur ein Teilaspekt heutiger Museumsarbeit, damit eng verknüpft ist die Sinngebung, das gehütete Material möglichst einer breiteren Öffentlichkeit gedanklich und visuell näherzubringen. Das Theatermuseum ist eine Stätte kollektiven Erinnerns, wo beispielsweise Künstlernachlässe bewahrt, erschlossen und in Ausstellung wie Publikation aktueller, öffentlicher Reflexion dargeboten werden; es kann ein Ort der kulturhistorischen Auseinandersetzung und des öffentlichen Nachdenkens sein, sinnliches Vergnügen bereiten wie historisches Bewusstsein schaffen.
Die bewusste Mischung des Ausstellungsprogramms ist eminent wichtig für ein Museum, das derzeit ausschließlich Sonderausstellungen zeigt, deren ideale Ergänzung eine zusätzliche Dauerausstellung in anderen Räumlichkeiten wäre. Zu dieser Mischung gehört auch eine vielschichtige Ausrichtung auf der temporären Achse: die Etablierung theaterhistorischen Bewusstseins im aktuellen Diskurs ist ebenso wichtig wie die Wahrnehmung und Dokumentation heutiger Entwicklungen. Dieses Wechselspiel der Zeiten anzuregen angesichts der vergänglichsten aller Künste, ist eine der reizvollen Aufgaben eines Theatermuseums.